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Samstag, 19. Dezember 2009

Hopenhagen vs Cokenhagen

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Liebe Freunde,

wir sitzen gerade im Bus nach Berlin. In Kopenhagen müssten die Verhandlungen langsam aber sicher in die Endphase gehen. In einer in Kopenhagen kostenlos verteilten Zeitung „The COP15 Post“ ist heute ein Artikel von Johann Hari erschienen. Er beschreibt wie ich finde sehr gut die Sinnlosigkeit des momentan diskutierten Abkommens. Es wäre notwendig über völlig andere Dinge nachzudenken und nicht an marktbasierten Lösungen festzuhalten. Um euch die Möglichkeit zu geben ein mögliches Abkommen objektiv zu beurteilen habe ich den Artikel übersetzt und teilweise ergänzt oder umstrukturiert:

Die Delegierten der Klimaverhandlungen in Kopenhagen wurden auf dem zentralen Platz der Stadt von einem riesigen, stilisierten Globus begrüßt. Dieser sich drehende Globus ist gespickt mit Firmenlogos. Das Coca Cola Emblem bedeckt Afrika, während Carlsberg anscheinend Asien eingenommen hat und darüber verkündet McDonald’s in großen riesen Lettern: „Ich liebe es!“. „Welcome to Hopenhagen“ hört man es rufen.

Der Plastikplanet ist das perfekte Symbol für diesen Klimagipfel. Der Welt wird weisgemacht, dass ein Notfalltreffen zur Lösung der Klimakrise stattfindet. Eigentlich findet im Bella Center jedoch eher ein Jonglieren mit Formulierungen statt, welches gewährleisten soll, dass die Länder nicht einmal das Minimum leisten müssen, das zur Abschwächung der dramatischen Folgen des Klimawandels notwendig wäre.
Eine junge Frau aus Fiji bricht zusammen als sie der Konferenz davon berichtet, dass sie ihr Heimatland untergehen sehen wird wenn wir nicht jetzt handeln. „Alle Hoffnungen meiner Generation liegen auf Kopenhagen“ sagt sie. Chinesische und indische NGOs erklären wie schnell das Himalaya Eis verschwindet und, dass es bis 2035 verschwunden sein wird. Das Eis stellt ein Viertel des Trinkwassers der Weltbevölkerung bereit.
Mohammed Nasheed, Präsident der versinkenden Malediven, meint: „Die letzte Generation war auf dem Mond, diese Generation muss sich entscheiden ob sie auf dem Planeten Erde überleben will.“

Wir wissen was wir brauchen um wenigstens eine Chance zu haben mit den katastrophalen Folgen des Klimawandels umzugehen: die Emissionen der Industrieländer müssen um 40% im Vergleich zu 1990 sinken – bis 2020. Wir können darüber diskutieren wie wir das erreichen aber wir können nicht mit der Physik darüber diskutieren welches Ziel wir haben: die Atmosphäre hat eine klare Grenze wie viel sie absorbieren kann. Das können wir respektieren oder untergehen.

Die reichen Länder versuchen mit perfiden Methoden den Eindruck von Emissionsminderungen zu erwecken obwohl nichts dergleichen passiert. Heute oder morgen wird mit großem Tamtam das Ergebnis des Gipfels verkündet werden. Um die Realität dieses Ergebnisses zu verstehen ist es notwendig zu verstehen welche Tricks eingebaut werden.

Die meisten Tricks basieren auf einem Fehler im System: ein reiches Land kann seine Emissionen „mindern“ ohne selbst weniger Emissionen auszustoßen. Wie? Es kann ein armes Land bezahlen damit dieses weniger emittiert als es eigentlich wollte. Das klingt ja zunächst einmal relativ logisch: wir haben alle die gleiche Atmosphäre, also müsste es egal sein wo Emissionen eingespart werden. Aber ein System in dem Emissionen von einem Land an ein anderes verkauft werden können erzeugt eine unglaubliche Komplexität. Das Thema wird so schnell so technisiert, dass ihm niemand mehr folgen kann – kein aufmerksamer Bürger, kein Journalist und beinahe nicht einmal professionelle Umweltgruppen.
Man kann sehen ob seine Regierung mehr Kohlekraftwerke baut oder Flughäfen oder Autobahnen. Man kann allerdings nicht sehen ob die Emissionsminderungen die man auf der anderen Seite der Erde „eingekauft“ hat wirklich passieren – vor allem wenn sie auf Hochrechnungen von Emissionssteigerungen basieren, die eingetreten wären, hätte die Regierung nicht das nötige Geld bereitgestellt.

Eine Studie der Stanford Universität hat ergeben, dass die meisten der Projekte die durch Emissionshandel finanziert sind und zu Emissionsminderungen führen sollen entweder nicht existieren, nicht funktionieren oder sowieso (auch ohne Emissionshandel) umgesetzt worden wären. Der Mechanismus ist aber nicht ein kleines Nebenprodukt eines Abkommens sondern längst der wichtigste Bestandteil. Daher ist es angebracht einige der Betrügereien, die ein Abkommen in die Bedeutungslosigkeit überführen würden, zu erläutern.

Trick eins: „Hot Air“. 1990 wurden an alle Länder Berechtigungen zum Ausstoß von Treibhausgasen vergeben. Zu diesem Zeitpunkt war die Sowjet Union noch eine starke, große Industriemacht. Daher erhielt sie auf Basis ihrer damaligen Emissionen einen riesen Haufen Emissionszertifikate. Im Jahr darauf allerdings, kollabierte die Sowjet Union und damit auch ihre Emissionen. So hat Russland und andere osteuropäische Länder Unmengen an Emissionsrechten angesammelt. Diese Emissionen, die eigentlich niemals genutzt worden wären, werden nun an reiche Länder verkauft. So können die USA beispielsweise von Rumänien Emissionsrechte kaufen und behaupten es hätte seine Emissionen gemindert. Diese Emissionsrechte sind jedoch nichts als Fiktion und tragen in keinster Weise zu einer Minderung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre bei.
Bei der sogenannten „Hot Air“ geht es nicht um Peanuts. Sie repräsentiert 10 Gigatonnen CO2. Zum Vergleich: wenn alle Industrienationen ihre Emissionen bis 2020 um 40% reduzieren würde das gerade einmal 6 Gigatonnen CO2 aus der Atmospäre entziehen.

Trick zwei: „Double Counting“ oder Doppelt Zählen. Dieser Trick ist am einfachsten mit einem Beispiel zu verstehen. Wenn England China dafür bezahlt anstatt eines Kohlekraftwerks ein Wasserkraftwerk zu bauen, wird das den Emissionsrechten Englands positiv angerechnet. England darf also ein Kohlekraftwerk im eigenen Land länger laufen lassen. Das Problem ist nun allerdings, dass China sich die gleiche Leistung positiv auf ihre eigenen Emissionsminderungen anrechnet. Eine Tonne CO2-Minderung wird also zweimal gezählt. Dieser Umstand führt das System in die Sinnlosigkeit und steigert die Emissionen sogar.

Trick drei: „Fake-Wälder“. Die Abkürzung des Prozesses heisst offiziell „LULUCF“ oder „Land-Use, Land-Use-Change and Forestry“ (Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft). Wälder absorbieren Treibhausgase und entziehen sie damit der Atmosphäre – daher bekommen Länder Zertifikate wenn sie ihre Wälder schützen. Dieses System wäre logisch und sinnvoll hätten kanadische, schwedische und finnische Forstfirmen nicht durchgesetzt, dass eine neue Klausel in den Text des Abkommens aufgenommen wird. Die neue Regel besagt, dass im Rahmen von nachhaltiger Forstwirtschaft fast alle Bäume gefällt werden können ohne, dass Zertifikate verloren gehen. Es ist grotesk: ein gefällter Wald erhöht offiziell die Emissionen nicht, obwohl die Emissionen real rapide steigen.

Es gäbe noch dutzende ähnlicher Schlupflöcher, die dem Abkommen den Sinn vollständig entziehen. Die Bürgerschaft wäre stinksauer und entsetzt wenn sie verstehen würde wie kontraproduktiv das Abkommen wird. Das System wird daher absichtlich unverständlich konstruiert. Wenn wirklich ernsthafte Verhandlungen geführt würden, wären alle Schlupflöcher innerhalb von Sekunden beseitigt. Dies geschieht nicht und die Industrienationen weigern sich zusätzlich das geplante Pseudoabkommen rechtlich verbindlich zu machen. Wir werden betrogen obwohl es um das wichtigste Thema der Welt geht – die Stabilität unserer Biosphäre.

Unsere Staatsoberhäupter geben uns kein „Hopenhagen“ - Sie geben uns „Cokenhagen“: gezuckertes Wohlgefühl gefüllt mit ungesunden Zusätzen ohne Nährstoffe. Das Verhalten der Staatsoberhäupter – welches das Minimum das von Wissenschaftlern als sicher beschrieben wird, nicht einmal in Betracht zieht – deutet darauf hin, dass sie mehr Angst vor den Firmenlobbies haben, die ihre Kampagnen finanzieren als vor steigendem Meeresspiegel oder untergehenden Zivilisationen.

Trotz allem bleibe ich hoffnungsvoll. In Kopenhagen haben sich in den letzten beiden Wochen tausende Menschen aus der ganzen Welt versammelt, die keine weiteren Betrügereien mehr akzeptieren. Sie werden nicht weiter zusehen wie unsere Ökosysteme zerstört werden. Sie verlangen schlicht was die kalte, harte Wissenschaft verlangt: echte und drastische Emissionsminderungen, überwacht von einem globalen Umweltgerichtshof, der jedes Land bestraft, das uns alle gefährdet. Diese globale Bewegung wird nicht mit Kopenhagen enden. Die Verhandlungen enden in einem Betrug. Aus den Trümmern könnte jedoch die starke Forderung nach einer echten Lösung erwachsen.

Wenn sich die politische Temperatur nicht schnell erhöht, wird sich die physische Temperatur erhöhen – und wir können uns von der jungen Frau aus Fiji verabschieden und von dem einzigen sicheren Klima das wir je kannten.

2 Kommentare:

  1. Hey Nico,

    vielleicht können wir ja mal was in Berlin organisieren oder im Sommer in Bonn?!?

    http://egalitynow.org/blog/2009/dec/1/watch-video-copenhagen-banner-action

    mfg
    Friedrich

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  2. Hallo Friedrich,

    vielen Dank für dein Kommentar. Ich hätte auf jeden Fall Lust eine Aktion mit dir zu starten. Bonn ist eigentlich auch schon halbswegs fest in unserer Planung. Aber Berlin wäre natürlich auch eine Variante.
    Kontaktiere mich doch nochmal über das Kontaktformular rechts oben im Blog damit ich deine Emailadresse habe. Dann können wir besser kommunizieren.

    Übrigens super Aktion die ihr da in Kopenhagen gestartet habt!

    Liebe Grüße,
    Nico

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